(Kiel) Für die Wege eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten ist keine Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusetzen. Die Fahrtkosten sind unabhängig von der Entfernung (ab dem ersten Kilometer) in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen. (BFH AZ.: VI R 39/07)

Darauf verweist der der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf ein am 25.02.2009 veröffentlichtes Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 18.12.2008. In dem ausgeurteilten Fall war der Kläger im Streitjahr 2004 an 257 Werktagen als Bauarbeiter auf wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt, die bis zu 45 km von seinem Wohnort entfernt lagen. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten des Klägers mit dem eigenen PKW jedoch zu solchen Tätigkeitsstätten, die weniger als 30 km von seinem Wohnort entfernt lagen, nur mit der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung (EStG).

Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers, mit dem er den Ansatz der tatsächlichen Kosten (in Höhe des Pauschbetrags von 0,30 € je km) begehrte, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt. Mit der Revision rügte das Finanzamt die Verletzung materiellen Rechts. Die Fahrtkosten des Klägers zu den wechselnden Tätigkeitsstätten in einer Entfernung von der Wohnung von weniger als 30 km (sog. Einzugsbereich) könnten als Werbungskosten nur in Höhe der Entfernungspauschale berücksichtigt werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bereits 1985 entschieden, dass die tatsächlichen Kosten nur für solche Fahrten angesetzt werden könnten, die über den Einzugsbereich hinausgehen; die innerhalb dieses Bereichs liegenden Fahrten unterlägen der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Diesen Rechtsgrundsatz habe der BFH auch in seiner neueren Rechtsprechung nicht aufgegeben.

Die Revision des Finanzamts wurde jedoch nun vom BFH zurückgewiesen, so Passau. Zutreffend habe das FA zwar angeführt, dass der BFH u.a. im Jahre 1985 entschieden habe, es seien (nur) die Pauschsätze des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und nicht die tatsächlichen Kosten anzusetzen, wenn ein Arbeitnehmer an wechselnden Einsatzorten in einer Entfernung von seiner Wohnung tätig ist, wie sie auch von vielen anderen Arbeitnehmern mit einer festen Arbeitsstätte täglich zurückgelegt wird. Die vom FA in Bezug genommene (ältere) Rechtsprechung des Senats zur Ausdehnung auf Fahrtkosten bei wechselnden Tätigkeitsstätten im sog. Einzugsbereich sei jedoch mit der Gesetzessystematik und der neueren Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung von Fahrtkosten bei Auswärtstätigkeiten nicht vereinbar.

Die neuere Rechtsprechung des BFH unterscheide – auch begrifflich – strikt zwischen Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) einerseits und Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten andererseits.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG seien Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte Werbungskosten. Die Vorschrift habe insofern abzugsbeschränkende Wirkung, weil zur Abgeltung dieser Aufwendungen für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, (nur) eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 € anzusetzen ist. Regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sei nach der Rechtsprechung des Senats jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb. Liege eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, so kann sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Demgemäß kann die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als eine sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip angesehen werden.

Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG könne indessen schon deshalb nicht für Fahrten des Arbeitnehmers zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten angewendet werden, weil derartige Einsatzstellen nicht auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegt seien. Die Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG erwiese sich bei Fahrten zu wechselnden Tätigkeitsstätten als systemwidrig, weil der Arbeitnehmer bei wechselnden Einsätzen im Interesse des Arbeitgebers beweglich bleiben müsse, er deshalb typischerweise oft auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist und die Entfernung der sich laufend ändernden Tätigkeitsstätten vom Wohnort oft stark schwankt. Diese Sachlage sei typischerweise auch bei ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eines Arbeitnehmers innerhalb eines Einzugsbereichs von 30 km gegeben.Hieraus ergebe sich, dass Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten unabhängig von der Entfernung (ab dem ersten Kilometer) mit den tatsächlichen Kosten als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Passau empfahl Steuerpflichtigen in ähnlicher Situation, die Vorlage zu beachten und ggfs. steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auf den DUV Deutschen Unternehmenssteuer Verband – www.duv-verband.de – verwies.

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Jörg Passau
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